Das systemische Verständnis von Organisationen

In einer zunehmend komplexen und dynamischen Geschäftswelt ist es von entscheidender Bedeutung, Organisationen als Systeme zu betrachten, die aus verschiedenen, interdependenten Elementen bestehen. Dieses systemische Verständnis ermöglicht es Führungskräften, die vielschichtigen Beziehungen zwischen den Individuen, Teams und der gesamten Organisation zu erfassen und fördert eine ganzheitliche Herangehensweise an Management und Führung. Insbesondere im Kontext erforderlicher Veränderungen ermöglich ein systemisches Verständnis von Organisationen einen hilfreichen Zugang.

 

Die Organisation als soziales System

Eine Organisation ist mehr als nur die Summe ihrer Teile. Sie funktioniert als ein dynamisches System, in dem unterschiedliche Elemente – wie Menschen, Prozesse, Strukturen und Technologien – interagieren und sich gegenseitig beeinflussen. Die von Niklas Luhmann in Analogie zu einem lebendigen Organismus eingeführte Metapher des Pantoffeltierchens für soziale Systeme bringt diese Komplexität auf den Punkt. Dabei stellen Organisationen durch deren Zweckorientiertheit eine besondere Art sozialer Systeme dar. Die Entstehung einer Organisation wird zur Erfüllung eines bestimmten Primärzwecks von Menschen entschieden. Dabei ist nicht die weit verbreitete Vereinfachung „Geld verdienen“ gemeint, sondern viel mehr das, worum sich die (neue) Organisation im „Dienst der Gesellschaft“ kümmert.  

 

Die Beziehung zwischen den Systemebenen

Organisationen lassen sich in verschiedene systemische Ebenen differenzieren. Die Ebenen „Organisation“, „Person“ und „Team“ und sind dabei für sich betrachtet ebenfalls soziale Systeme, die sich sozusagen „in den Dienst der Organisation“ stellen und eng miteinander in Wechselwirkung stehen.

Organisation

Die Organisation als Ganzes legt über entsprechende Entscheidungen den Zweck und den Rahmen fest, in dem sowohl Personen als auch Teams operieren. Diese Strukturen der Organisation erschaffen den Kontext, innerhalb dessen sich Menschen und Teams verhalten und agieren. Dabei kann noch in formale Strukturen wie Zweck, Programme, Personal und Hierarchie unterschieden werden und informellen Strukturen, die sich als Reaktion wie von selbst als eine Art „ungeschriebener Regeln“ entwickeln. Vereinfacht könnte man sagen, dass formale Strukturen alles das umfassen, was „nachlesbar“ und als festgeschriebene Regel gesetzt wurde, während informelle Strukturen all das Nichtaufgeschriebene und die „allgemein bekannten“ Gepflogenheiten umfasst.

Person

Organisationen vereinbaren mit Personen Mitgliedschaften, um Ressourcen zu bekommen, die dabei mitwirken, den Zweck der Organisation zu erfüllen. So hart es sich anhört – Organisationen sind nicht an der gesamten Person interessiert. Nur der Teil bzw. das Verhaltensrepertoire, welches im Sinne des Zwecks der Organisation nützlich ist, steht im Mittelpunkt des Interesses. So gesehen schränkt eine Mitgliedschaft bei einer Organisation die Vielfalt der der Person zur Verfügung stehenden Verhaltensweise ein, zumindest für die Zeit, in der die Person im Dienst der Organisation steht.

Und dennoch bringen Personen viele individuelle Fähigkeiten, Erfahrungen und Werte in die Organisation ein. Diese persönlichen Eigenschaften beeinflussen entsprechend die Dynamiken in den Teams und in der Gesamtorganisation, z.B. durch gutgemeinte, eigene Interpretationen der (erwarteten) Verhaltensweisen.

Es kommt darauf an, die Erwartungen, die eine Organisation an die jeweiligen Mitglieder richtet, möglichst genau auszuhandeln, ähnlich einer Rolle eines Bühnenstücks, der ein bestimmtes Drehbuch zugeordnet ist.

Team

Teams sind die operativen Einheiten der Organisation, die gemeinsam im Auftrag der Organisation auf gesteckte Ziele hinarbeiten. Die Dynamik innerhalb eines Teams, im Hinblick auf Kommunikation, Zusammenarbeit und Gruppenrollen beeinflusst das Verhalten der einzelnen Teammitglieder. Auch zwischen den Teams, den Personen und der Gesamtorganisation bestehen Wechselwirkungen.

 

Der Einfluss des Systems auf das Verhalten

Der Spruch „Menschen verhalten sich so, wie es das System von ihnen erwartet“ ist eine wichtige Erkenntniss des systemischen Denkens. Allerdings gilt es hier zu bedenken, dass es um das gezeigte Verhalten geht, von dem die Menschen annehmen, dass es erwartet wird.  

Annahmen und Erwartungen

In dem Moment, in dem sich neue Mitglieder in den Dienst der Organisation stellen, ist im besten Fall die formale Struktur einer Stellenbeschreibung und darüber hinaus gehende Arbeits- oder Dienstanweisungen vorhanden, die das erwünschte Verhalten mehr oder weniger klar festlegen.

Die vorher erwähnten informellen Strukturen einer Organisation stellen dabei ein überaus mächtiges Konvolut an (unausgesprochenen) Erwartungen dar, an den sich die Mitarbeitenden im besten Fall halten oder aber durch Verstoß gegen diese ungeschriebenen Regeln für zum Teil drastische Irritationen führen.

Feedbackschleifen

Neue Mitarbeitende reagieren auf die Rückmeldungen, die sie in ihrem Umfeld erhalten – unabhängig ob absichtsvoll und systematisch oder zufällig und sporadisch. Positive Rückmeldungen können gewünschtes Verhalten fördern und verstärken, kritische Rückmeldungen können zu Änderungen des Verhaltens führen. Wie auch immer, ein gesundes und wertschätzendes Feedback ist essenziell für die Entwicklung und Nivellierung der gegenseitigen Erwartungen. An dieser Stelle als wichtiges Korrektiv wirksam zu werden ist eine der Hauptverantwortungen von Führungskräften.

 

Fazit

Ein systemisches Verständnis von Organisationen bietet Führungskräften eine wertvolle Perspektive auf die Komplexität des menschlichen Verhaltens im Kontext sozialer Systeme und der kollektiven Dynamiken. Indem insbesondere Führungskräfte die Wechselwirkungen zwischen den Ebenen „Person“, „Team“ und „Organisation“ erkennen und verstehen kann aktives Gestalten, z.B. von absichtsvollen Veränderungen gelingen.

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Eine kurze Geschichte der Beratung

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Fragetechniken für wertschätzende Gespräche - Teil 1